kapitel 1
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wozu liebe lernen …!?
"Wozu etwas lernen, was doch selbstverständlich ist?", werden Sie sich womöglich fragen. Und doch wäre dieser Buchtitel wahrscheinlich spurlos an Ihnen vorübergegangen, wenn es für Sie ganz selbstverständlich wäre, in Liebesdingen rundherum kompetent zu sein.
Nichts ist selbstverständlich, was mit der Liebe zwischen Menschen zu tun hat. Diese Erkenntnis durfte oder musste ich in meinem Beruf als Seminarleiter und Therapeut und als Mann Ende 50 immer wieder machen. Nirgendwo gibt es so viel an Erfüllung, Freude und Glücksempfinden abzuholen wie "in Liebesdingen". Zugleich gibt es wenige zwischenmenschliche Erfahrungen, die uns so sehr zusetzen wie Enttäuschungen, die mit "der Liebe" zu tun haben. Kein Thema treibt uns Menschen so um.
Fragen Sie sich gerne einmal selbst:
• Wann fühlten Sie sich besonders beschwingt, erfüllt und glücklich?
• Wann waren Sie besonders unglücklich, deprimiert oder gar verzweifelt?
Wenn Ihre Antworten auf Zeiten und Erfahrungen in Partnerschaften oder Liebesbeziehungen verweisen, dann geht es Ihnen so wie fast allen! Fällt Ihr Liebes-Resümee eher unglücklich aus, so haben Sie sich vielleicht damit abgefunden, dass es "mit der Liebe" eben schwierig ist. Vielleicht glauben Sie dann wie viele daran, dass "man in Liebesdingen eben Kompromisse machen muss" und "zufrieden sein muss mit dem, was man hat". Vielleicht haben Sie sich sogar gänzlich von diesem Thema zurückgezogen – womöglich glauben Sie "dass Sie Liebe nicht verdienen" oder "Beziehung nicht können". Auch damit wären Sie in guter Gesellschaft. Denn vielen geht es so.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen gerne versichern: Liebe lässt sich lernen.
Ein wenig zumindest.
Genauer gesagt: Sie können lernen, was es braucht, um der Liebe in Ihrem Leben eine Chance zu geben und ihr in Ihrem Kopf, Bauch und Herzen einen sicheren Platz einzuräumen. Auch können Sie lernen, wie es gelingen kann, Ihre Liebe mit anderen Menschen auf beglückende Art zu teilen.
Und wenn Ihnen dies bislang noch nicht so wirklich gelungen ist, dann womöglich deshalb, weil Sie sich ihr noch nicht wirklich gewidmet haben. Vielleicht hatten Sie lausige Vorbilder – wie viele von uns – und wollten alles besser machen als sie. Dabei haben Sie vermutlich Fehler gemacht und sich "blaue Flecken" geholt, denn Sie wussten nicht so recht, wie Sie es am besten anstellen sollten.
Die Chancen sind gut, dass Sie daraus Schlussfolgerungen gezogen haben, die Ihnen seitdem im Weg stehen. Etwa die, dass Sie nicht liebenswert sind oder dass Sie Liebesglück oder eine nährende Partnerschaft eben nicht verdienen. Vielleicht haben Sie auch einfach beschlossen, dass das mit der Liebe eben nichts für Sie ist.
Deshalb will ich Sie mit diesem Reiseführer durch das Land der Liebe ein wenig begleiten und Ihnen zeigen, wie die Herausforderung Liebe und Partnerschaft auch für Sie gelingen kann. Sie ist für mich das größte Abenteuer, dem wir uns stellen können – und oft genug eine wunderbare Lektion in Demut. Denn bei allem, was wir über sie lernen können, bleibt sie eines der großen Geheimnisse des Lebens.
Es mag sein, dass Ihnen manches, was ich Ihnen gerne zeigen möchte, vertraut ist. Vielleicht bestärkt es Sie in dem, was Sie bereits wissen oder ahnen. Manches bringt Sie, so hoffe ich, zum Nachdenken. Und an einigen Stellen mute ich Ihnen womöglich mit dem horizonterweiternden Blick über den Tellerrand einiges zu.
Erwarten Sie von mir jedoch bitte keine Rezepte oder allzu simple Antworten. Leider, Sie ahnen es, gibt es diese nicht wirklich. Stattdessen bemühe ich mich, Ihnen psychologisch fundierte Zusammenhänge und Hintergründe zu vermitteln und Sie auf wichtige Kompetenzen aufmerksam zu machen.
Denn ich bin überzeugt davon, dass nichts Ihre Neugier auf die Liebe so sehr entfachen kann wie das Gefühl, zu begreifen, worum es dabei wirklich geht und eine Ahnung zu gewinnen, was Sie beim nächsten Mal ein wenig anders oder gar besser machen könnten
…
Und wenn es mir gelingt, Ihnen neben einer gefühlten Kompetenz auch noch eine große Portion Lust auf das "Abenteuer Liebe" zu machen, habe ich mein Ziel erreicht. Dann bin ich sehr gerne eine Zeit lang an Ihrer Seite – mit diesem Buch, mit meinen Seminarangeboten oder auch als Ihr persönlicher Berater. Wenn Sie mir bis hierhin gefolgt sind und mir ein wenig weiter folgen wollen, freue ich mich darauf, Ihr Reiseführer zu sein.
Markus Klepper
Freiburg, im Frühjahr 2015
was diesem buch zugrunde liegt
In meinem Beruf als Therapeut begegnet mir das Thema Liebe täglich auf Schritt und Tritt. So war es naheliegend, über dieses herausfordernde Thema ein eigenes Buch zu schreiben – auch wenn sich schon viele vor mir dazu geäußert haben. Auch in meinem eigenen Suchen und Lernen stand und steht die Liebe ganz weit oben auf meiner Agenda. Meine Motivation zu diesem Buch ist somit neben der rein fachlichen auch eine ganz persönliche. Deshalb skizziere ich sie zunächst:
Meine eigene Reise in das Land der Liebe
Sie begann als junger, 13-jähriger Kerl. Ich war ganz stolz, zum ersten Mal verliebt zu sein, wenn auch noch platonisch.
In die kleine, enge und konservative Welt meines 6000-Seelen-Heimatdorfes am Rhein drangen verlockende Botschaften von Love and Peace. Es war das Jahr von Woodstock, auch wenn Woodstock weit weg war. Frankfurt, die heimliche Hauptstadt der "Außerparlamentarischen Opposition" (APO), war nur 60 km entfernt, aber auch sie war für mich unerreichbar – wie auf einem anderen Stern. Doch die Botschaften drangen bis zu mir und sie faszinierten mich. "If you can't be with the one you love, love the one you're with" klang es aus Woodstock, aus San Francisco tönte "Make love, not war" und in Frankfurt hieß es "Wer dreimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment." Es war die Zeit der Go-ins, Teach-ins, Sleep-ins oder Love-ins.
In dieser von Rebellion und Utopien geprägten Umbruchszeit machte ich meine ersten Erfahrungen und Gehversuche mit der Liebe: erste Freundin, Kribbeln nicht nur im Bauch, Wünsche, Sehnsüchte, Träume – Aufbruchsstimmung.
Genau 30 Jahre später, 1999, schien der Traum unwiderruflich ausgeträumt: Etliche kämpfend, suchend und leidend durchlebte Beziehungen und eine Scheidung später stand ich vor dem Scherbenhaufen meiner unerfüllten Sehnsüchte. Ich verzweifelte an mir und an meiner Fähigkeit zu lieben und Beziehungen so zu (er)leben, dass sie für beide dauerhaft erfüllend und nährend sind.
Dabei hatte ich mich redlich bemüht: Als Student der Psychologie hatte ich viele Theorien erlernt und unzählige Bücher verschlungen. Als Schüler von Bhwagan Shree Rajneesh hatte ich die intensive Suche nach dem "Selbst" mit Hingabe zu meinem Thema gemacht. Als Herausgeber und Übersetzer des Buches "Lebendige Beziehungen – die 20 Qualitäten der Liebe" von Frank Natale hatte ich die Materie intensiv studiert, als Seminarleiter und Trainer die Theorie "Lebendiger Beziehungen" Hunderten von Menschen nahegebracht, als Berater und Therapeut zahllose Menschen und Paare beraten – allein mir selbst wollte es nicht wirklich gelingen.
Statt ins Kloster zu gehen oder in die Resignation zu flüchten, besann ich mich auf etwas, was ich heute manchen Klienten empfehle:
Ich verordnete mir ein Sabbatjahr, ein Jahr freiwillig gewählter Auszeit in Liebes- und Frauen-"Dingen". Nach all den Jahren in Beziehung – manche 6 Monate kurz, eine 12 Jahre lang – war dies eine segensreiche Entscheidung. Ich wollte es noch einmal wissen und wagte es noch einmal …
Heute, 2015, und 46 Jahre später reibe ich mir manchmal die Augen, wundere mich und staune: Das, was mich als junger Kerl inspiriert und begeistert hat, ein Leben von Liebe in Freiheit, das, wonach ich bewusst und unbewusst all die Jahre gesucht habe, das, was ich zwischendurch schon fast verloren glaubte oder als spinnerte Idee abtat, klappt tatsächlich. Es gelingt.
Meine Frau Tanja und ich leben unsere Liebe in Freiheit. Aufrichtig, respektvoll, nährend und beglückend für uns und für all die, die mit uns in Liebe und Freundschaft verbunden sind. Vor 20 Jahren haben wir uns kennengelernt, vor 13 Jahren geheiratet, vor 8 Jahren erweiterten wir unsere Liebe um weitere Lieben. Zeit genug, um Erfahrungen damit zu sammeln, Lektionen zu lernen, Blessuren zu verdauen und unsere Lehren daraus aufzuschreiben und weiterzugeben – für alle, die offen dafür sind.
Doch keine Angst: Dieses Buch ist kein Plädoyer oder Manifest für "freie Liebe" oder "offene Beziehungen". Es propagiert keine Ideologie oder ein neues Modell. Stattdessen will es Sie dazu einladen und gerne auch dabei begleiten, Ihren ganz eigenen, passenden Weg zu finden.
Es wäre schön, wenn Sie dadurch herausfinden würden, was für Sie und Ihre Liebe(n) passt.
Dabei bilden meine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse und die zuweilen stürmische Suche nach Wegmarkierungen und Orientierungspunkten die verlässliche innere Basis. Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Begegnung mit einigen Tausend Menschen, die ich in meiner Arbeit als Berater, Therapeut und Seminarleiter begleiten durfte, ergänzen mein eigenes Bild. All das, was ich lernen durfte aus den Lebensgeschichten und Schicksalen der Menschen, die ihre Last mit der Liebe hatten und um Rat suchten, fließt in diesem Buch mit ein.
Eine wichtige theoretische Quelle, auf die ich mich beziehe, ist die moderne Hirnforschung. Insbesondere das, was Prof. Dr. Gerald Hüther davon vermittelt. Er stellt mit seinem Modell der Potenzialentfaltung wichtige Zusammenhänge und Hintergründe bereit, die für das Gelingen menschlicher Beziehungen segensreich sind. Denn sie sind einfach zu erfassen und bestechend in ihrer Wirkung.
Ich schreibe dieses Buch aus der Perspektive eines Therapeuten und eines beziehungserfahrenen Mannes, der seit 13 Jahren glücklich verheiratet ist. Alltagstaugliche und lebensnahe Zusammenhänge und Einsichten liegen mir dabei besonders am Herzen. Einsichten, die es Ihnen ermöglichen, das "Land der Liebe" auf Grundlage psychologischer Zusammenhänge zu verstehen.
Quellenverweise und Hinweise auf weiterführende Literatur benenne ich nur an wenigen Stellen, denn sie würden den Charakter dieses Buches sprengen und womöglich den Eindruck eines wissenschaftlichen Werkes vermitteln, was ich vermeiden will.
Wenn es mir gelingt, ein wenig von der Aufbruchsstimmung zu transportieren, die die Liebe jung hält und immer wieder lebendig macht, wäre dies Buch nicht umsonst geschrieben.
verliebt zu sein, ist keine kunst
Verliebt zu sein, ist für die meisten von uns keine große Kunst. Es geschieht oft wie auf Knopfdruck, dann, wenn wir dafür innerlich bereit sind. Dabei werden wir meist getrieben von einer inneren Sehnsucht: Wir fühlen, dass uns etwas fehlt und sehnen uns danach – gerade so, als sei unsere Seele hungrig oder durstig.
Wie wunderbar fühlt es sich an, wenn dieser Hunger oder Durst endlich gestillt wird, weil wir ihn oder sie "endlich" gefunden haben – oder wieder einmal. Wir sehen die Welt durch eine rosarote Brille, wir fühlen uns beschwingt und voller Lebensenergie und der oder die, in den wir verliebt sind, wird in unserer Fantasie zum Schlüssel für unser Liebesglück. Es ist, als ob unsere Seele jubiliert: Endlich! Oft vergessen wir alles um uns herum und nicht selten vergessen wir auch uns selbst dabei. Wir sind wie auf Droge – im Verliebtheitsrausch. Genießen wir ihn, solange er anhält!
Denn er lässt früher oder später wieder nach und hat mit wirklicher Liebe, so wie ich sie hier beschreibe, nichts zu tun.
Der Rausch der Verliebtheit kann so etwas sein wie die faszinierende Hochglanzbroschüre, die uns den Weg zur Liebe weist. Und vermutlich hat die Evolution der Natur uns dieses verlockende Geschenk genau aus diesem Grund gemacht: als Appetit-Macher, Anreiz und Wegweiser, der uns für die Liebe zu und mit einem anderen Menschen öffnet und empfänglich macht.
Nichts spricht dagegen, das Gefühl auszukosten und zu genießen, so lange und so oft es uns widerfährt. Solange wir dabei die schnöde Wahrheit nicht außer Acht lassen, dass die Liebe erst nach den Flitterwochen, also nach der Verliebtheit, beginnt.
Instinktiv wollen wir mit dieser Erkenntnis oft nichts zu tun haben. Dafür ist das Gefühl zu schön und vielleicht auch zu selten – und schließlich geht es bei der Liebe doch um das gute Gefühl. Und selbst wenn wir um diese Erkenntnis im Grunde wissen, gerät sie im entscheidenden Moment oft irgendwie in Vergessenheit – vielleicht weil unsere Sehnsucht zu stark ist und heftige Gefühle unseren Blick leicht trüben. Wir sind ja schließlich Menschen …
(...)